Montag, 12. August 2013

Hörgeräte-Tagebuch # 1

Warum ein solches Tagebuch? Zur besseren Vorbereitung auf meine nächsten Besuche beim Hörgeräteakustiker machte ich mir handschriftliche Notizen und so reifte in mir der Gedanke, dass ich diese doch gleich zur Schau bzw zur Lese stellen konnte...

Vorgeschichte: 
Von Geburt an schwerhörig, bin ich schon seit frühester Kindheit mit Hörgeräten versorgt worden. Anfangs noch mit den schiachen Taschengeräten, wo man aus beiden Ohren die Schnüre heraushängen sehen konnten, die mit dem Gerät verbunden waren. (Walkman hören war entscheidend cooler...) Ich trug zwei verschiedene Geräte dieser Art, letztere war ein "viennatone". Ein symbolisches Zeichen von Freundschaft zwischen Österreich und der ehemaligen DDR. Nachdem die Mauer fiel, erhielten wir als "Geschenk" vom ehemaligen Bundesminister Norbert Blüm die ersten Hinter-dem-Ohr-Hörgeräte, damals umgangssprachlich "Bananen" genannt. Was wiederum symbolisiert, dass wir in der DDR stundenlang auf (keine) Bananen gewartet haben. Die HdO-Geräte Marke "Bosch" trug ich wenige Jahre, nachher bekam ich zweimal die analogen HdO-Geräte von Phonak. Kurz vor Ende des Jahres 2000 erhielt ich dann die ersten digitalen Hörgeräte der Marke Siemens Signia. War eine heftige Umstellung, bin aber mit einem "Gewöhnen Sie sich daran!" abgefertigt worden. Ich meine, einem Hörgeräteakustiker können doch keine 8.000 DM entgehen lassen. Die Siemens nahm ich mit nach Österreich und nach sechs Jahren wurde es Zeit für neue Hörgeräte, bekam wieder die Phonak (rechtes Ohr: eXtra 211 und linkes Ohr: eXtra 411) angepasst und diese Hörgeräte trage ich noch offiziell. Nun sind mehr als sechs Jahre vergangen und es wird wieder Zeit für neue Hörgeräte.

Vor zwei Wochen stattete ich meinem Hörgeräteakustiker einen Besuch ab und nach einer zweistündigen Sitzung, die es in sich hatte, wurde für den 8. August ein Termin für die Anpassung vereinbart. An diesem Nachmittag wurden mir die Phonak Naida Q angepasst und die zwei Stunden waren ... kräftezehrend. Kann sich keiner vorstellen, aber mein Hörgeräteakustiker-Team holt wirklich das Beste aus mir, aus meinem Gehör heraus und nach einem nicht so leichten Arbeitstag zwei Stunden hören, hören, hören. Das ist wie zwei Stunden durchgehend bei einem Konzert toben... vielleicht ist letztere noch ein Zuckerschlecken.

Meine aktuellen: Die Phonak eXtras.

Zum Testen: Die Phonak Naida Q.
8. August 2013 – 19:30 Uhr:
Nach dem Besuch beim Hörgeräteakustiker (von 15:30 bis ca. 17:30 Uhr) war das Rauschen auf dem Heimweg fast unerträglich. Lag es an der Hose? Am Wind? Oder einfach, dass nun dieses Haar hinter dem Ohr fahren so dermaßen geräuschvoll ist?
Zuhause angekommen, die „Darkness“ eingelegt und schon bei „Badlands“ mitgesungen, höre meine Stimme eher beim linken Hörgerät. Regele nun die Lautstärke an meinem rechten Hörgerät und gehe davon aus, dass wenn ich die Lautstärke bei EINEM Hörgerät regele, die Lautstärke beim anderen Hörgerät automatisch mit geregelt wird. Ansonsten ist das Musikhören mit den neuen Hörgeräten ungewohnt.
Mit dem ComPilot macht Musikhören sehr viel Spaß, am Fernseher stelle ich fest, dass das Audiokabel, welches ComPilot mit dem Fernseher verbindet, recht kurz ist. Kann man kabellos Musik hören oder muss das Ding Bluetooth-tauglich sein? Das fragt die Sori, die in Sachen Technik nicht immer ganz auf der Höhe ist…
Da ich zum Glück seit wenigen Monaten (!!!) weiß, dass mein Sony Ericsson W902, den ich seit knapp vier Jahren habe, Bluetooth-tauglich ist, aktivierte ich die Verbindung zwischen Mobiltelefon und dem ComPilot. Von meinem Mobiltelefon „Adam Raised A Cain“ in meinen Hörgeräten hören und ich konnte durch die Wohnung gehen, ohne dass die Lautstärke sich verändert… ein Traum!

9. August 2013 – 15:30 Uhr:
Das unerträgliche Rauschen bzw Rascheln ist eher auf das mitgenommene Papiersackerl zurückzuführen.
[…]
Heute Morgen mit dem Automatik-Modus zur Arbeit gehatscht, Straßenverkehrslärm teilweise unerträglich, besonders wenn die Autoreifen durchdrehten oder auch beim Bremsen quietschten.
Im Büro wurde es zuviel… schon immer laut dort, wurde es heute besonders laut. Schaltete auf Modus 1 um. War angenehm, aber in meiner Blickrichtung hörte ich alles… sogar dass am Ende des Büroraumes geredet wurde. Und der Abstand von meinem Arbeitsplatz bis zu diesem einen Ende beträgt ca. 10 Meter. Mit meinen alten Hörgeräten nahm ich höchstens Gemurmel wahr. Aber jetzt muss ich mir auch Telefonate und ähnliches mitanhorchen, nein! Auch wenn mir meine liebe Kollegin geraten hat, dass ich kein Hirsch sein soll, ICH WILL DEN URSPRUNGSZUSTAND WIEDER HABEN! Mein Telefon läutete, bei der Lautstärke stand ich kurz vor einem Herzinfarkt und nutzte die Möglichkeit, das Hörgerät in den Telefonmodus (Modus 2) zu schalten. Funktionierte leider mehr schlecht als recht… ach, könnte das Telefon auf Arbeit auch Bluetooth-tauglich sein. Muss mal den EDV-Heini von unserer Firma fragen…
Auf dem Heimweg wieder in den Automatikmodus und bald geht das Probieren über Studieren weiter.

Nun…
Als ich die Zeilen vom Freitagnachmittag schrieb, habe ich meine Hörgeräte herausgenommen, weil ich einfach eine Pause gebraucht habe und studierte nachher die Bedienungsanleitung vom TVLink S und ich entdeckte, dass es schon die Möglichkeit gibt, „drahtlos“ optimal fernschauen zu können. Am Abend lief auf ORFeins irgendein amerikanischer Schmachtfetzen und bevor der Film losging, ging ich die Beschreibung Schritt für Schritt durch. Ich steckte die Audio-Kabel an den Fernseher, schaltete das TVLink S und den ComPilot ein. Drückte auf irgendwelchen Tasten, beide Geräte zeigten die blaue Anzeige an (heißt so etwas wie „Bluetooth-Verbindung hergestellt“). Ich wusste, ich konnte nichts falsch machen, aber ich hörte dennoch nichts. Traurig darüber, dass mein Fernseher mit seinen mehr als 14 Jahren einfach zu alt für solche technischen Neuerungen ist, gab ich dennoch die Hoffnung nicht auf. Ich inspizierte den Fernseher von allen Seiten und entdeckte hinter dem Kastl weitere Anschlussbuchsen für den Audio-Stecker. Steckte die Kabel um und grinste so breit wie noch nie, als ich endlich etwas hörte. Und WIE ich hörte. Ich gab mir den Schmachtfetzen am Abend, konnte in die Küche oder aufs Klo gehen und hörte dennoch mit, was im Film geredet wurde. (Nebenbei: Ich verstehe immer noch nicht, wie man/frau Bradley Cooper zu einem „Sexiest Man Alive“ wählen konnte???)
Am Samstag Abend stand mir ein Konzert bevor und ich war schon sehr gespannt darauf, wie es sich mit den Hörgeräten anhören würde. Ich kam gegen 19:30 Uhr in den „Saloon“ im transdanubischen Donauplex und es gab erst einmal ein großes Hallo mit vertrauten Gesichtern, Hörgerät auf Modus 1 umgeschaltet, so weit so gut. Nur etwas befremdlich, dass ich weder Roll-Call-Nummer auf meinem Handrücken draufgepinselt noch Pit-Bandl bekam.

10. August 2013 – Bruce Springsteen Coverband Austria im Saloon, 1220 Wien:
Schlagzeuger, Keyboarder, Bassist, Saxophonist und „Mini-Boss“ Manfred „Ibe“ Ibeschitz betraten die Bühne und legten mit „Cover Me“ los. Das wusste ich. Das erkannte ich noch. Aber der Lärm dahinter. Un-er-träg-lich. Ich fummelte am Knopf meines Hörgerätes, wechselte die Modi, hilft nichts, drehte die Lautstärke meiner Hörgeräte nach unten, bis dieser typische Doppelpiepser kam, der mir sagte: „Weiter geht’s nicht.“ „…Well I’m lookin‘ for a lover who’ll come on in and cover me.“ Das reicht, in Leipzig hast Du „Back In Your Arms“ auch ohne Hörgerät hören können, ich nahm die Dinger heraus und war erleichtert. Ich hörte noch teilweise die Gitarre kreischen und Ibes Stimme verzerren, aber es war dennoch viel besser als mit den Prothesen. Zu „Badlands“ haben wir so sehr gerockt und es war schon warm und stickig im „Saloon“, und da ich mich bei einer Coverband genauso affig aufführe wie beim Original, war ich beim zweiten Lied schon beinahe schweißgebadet. Weiter ging’s mit „Downbound Train“ (endlich kurz innehalten), „I’m Goin‘ Down“, „Radio Nowhere“, „Working On The Highway“, „From Small Things“, „The River“ und vielen weiteren Klassikern… in der Pause hatte ich wieder Gelegenheit für normale Gespräche (ging auch ohne Hörgeräte) und erfuhr von meinen Mitstreitern, dass für sie die Lautstärke auch ein wenig zuviel des Guten war. 

Requests auf Servietten wurden gebastelt und nun ging es in die zweite Halbzeit. Es krachten „Born To Run“, „Born In The U.S.A.“, „Glory Days“. Bei „Dancing In The Dark“ hatten Alex und ich unsere drei Minuten Ruhm, indem wir beide ganz galant vom lieben „His Gueness“ auf die Bühne getragen wurden und wir mit den Musikern abrockten. Also, erst dort war ich wirklich froh, dass die Hörgeräte draußen waren, sie hätten definitiv ihren Feuchtigkeitsschock erlebt. Gar nicht gut bei knapp 7.000 EUR. Wieder galant von der Bühne heruntergetragen, Zeit für einen letzten Absacker und erst beim Verlassen des Saloon stöpselte ich meine Hörgeräte wieder in die Ohren, hörte dann im Automatikmodus weiter. Also, das war ein absoluter Fehlgriff. Ich hoffte wirklich, mit den neuen Hörgeräten ein Konzert ausprobieren zu können. Ist halt nicht gegangen.
Und heute auf Arbeit hatte ich das Hörgerät wieder auf Modus 1 geschaltet. Ich glaube, mich an den Lärm gewöhnen zu können. Aber zufrieden bin ich dennoch nicht. Es sind weitere Einstellungen notwendig.

Morgen habe ich einen weiteren Termin beim Hörgeräteakustiker. Dort warten zwei andere Paare Hörgeräte auf mich. Ich bin schon gespannt darauf.