Vorgeschichte:
Wie bin ich zu Bruce Springsteen und seiner Musik gestoßen? Hier
die wichtigsten Fakten:
1990: Dank einer Sammelkarte aus „Micky Maus“ das
erste Mal „Bruce Springsteen“ in mein Bewusstsein aufgenommen.
1992: Das erste Mal seine Musik mittels Video von
„Human Touch“ auf MTV wahrgenommen, mir hat das Lied nicht sonderlich gefallen,
aber das Solo und wie er auf seiner Telecaster eingedroschen hat – oh ja!
1995: Nachdem der Hype um „Streets Of
Philadelphia“ abgeflaut war, ich die heraustretenden Halsschlagadern von Bruce bei
seinem Gitarrensolo im „Murder Inc.“-Video (immer noch) sexy finde,
musste ich mir schließlich die erste CD, „Greatest Hits“, um 20 DM von Papa
sponsern lassen.
1995: Die CD noch am selben Tag in meine
Stereoanlage befördert, die ersten Takte von „Born To Run“ hämmerten aus den
Lautsprechern und es war um mich geschehen…
1999: Reunion-Tournee mit der E Street Band.
Wirst Du ihn jemals live sehen? Und dann noch dieser denkwürdige
Donnerstagabend im Juni 1999, als meine Internatserzieherin Ramona H. mir
mitteilte, dass sie „nächste Woche zu Bruce Springsteen nach Leipzig“ fährt.
Ich heulte laut auf.
Nach dem Konzert teilte sie mir
mit, dass dieses am 13. Juni 1999 im Bruno Plache-Stadion ihr bestes Konzert
gewesen sei (bisher unzählige Konzerte von ihrem Idol Westernhagen und anderen
besucht), ich ihr weinerlich mitteilte, dass ich sicher nie auf ein
Springsteen-Konzert gehen würde, sie mir versicherte, dass er sicher wieder
kommt, „er spielt mit so einer unglaublichen Hingabe".
2002: „The Rising“ - eine Zäsur in meinem
Fan-Dasein. Den damaligen Lebensabschnittsgefährten (noch in Fernbeziehung) mit
Springsteen infiziert, als ich ihn am Abend des 16. Oktober mitteilte, dass ich
keine Zeit für Chatten habe, sondern lieber die „Live in Barcelona“ auf MTV
sehen wollte. Er tat das Gleiche und teilte mir nachher mit, dass er den Boss
auch live sehen will. Anfang November wussten wir, dank einem lieben netten
Menschen (den Roland sehe ich nach so vielen Jahren noch immer), dass wir unser
erstes Springsteen-Konzert am 25. Juni 2003 im Wiener Ernst Happel-Stadion
erleben werden.
2003: Wenige Wochen vor diesem Konzert erfuhr
ich, dass ich am 25. Juni meine mündliche Abschlussprüfung
absolvieren musste. Ich war wie zerschlagen, weil ich niemals rechtzeitig den
Zug nach Wien und zum Konzert erwischen würde. Hier möchte ich meiner Berufsschulkollegin Katrin W. wieder herzlichst danken, dass sie mit
mir ihren Termin getauscht hat. So konnte ich schon am 23. Juni meine mündliche
Prüfung machen, ich war nachher offiziell Bürokauffrau und arbeitslos. Am Abend
des 23. Juni stieg ich in den Nachtzug nach Wien ein.
Wien, 25. Juni 2003:
Um einen guten Platz, am besten im PIT, zu ergattern,
brachen wir schon gegen 13 Uhr von Perchtoldsdorf auf. Schon beim Ausgangspunkt
vergaßen wir vor lauter Aufregung, die Karten mitzunehmen – sprich, wir waren fast
startbereit und eine Treppe höher lagen die Karten immer noch in der
Schreibtischlade. Den entscheidenden Tipp lieferte mir K., als ich am Klo saß
und er mir unter der Tür Karten einer bereits stattgefundenen Veranstaltung
schob. (Irgendetwas mit Alfred Dorfer, das weiß ich noch.) „DIE KARTEN!“ schrie
ich. Sonst wären wir wirklich zum Auto marschiert, nicht auszudenken, wenn,
dass… Nachdem wir das Auto in das für mich noch unbekannte Wien geparkt haben
und ein gutes Stück in Richtung Stadion marschierten, fiel mir „DIE KARTEN!“
ein und wir mussten wieder zurück zum Auto.
Suchspiel... ein paar von diesen Tramps sah ich bei den nächsten Konzerten wieder. |
Das waren noch Zeiten: Das Foto entstand tatsächlich am Konzerttag gegen 15 Uhr - Roll Call und Lottery gab es noch nicht! |
Gegen 14 Uhr erreichten wir endlich
das Stadion und es war schon eine Handvoll Tramps dort. (Ich betone: Nur eine
Handvoll!) Wir machten Bekanntschaft mit einer netten Tramp, die aus der
Hansestadt Bremen stammt. Leider weiß ich ihren Namen nicht mehr… sollte sie
sich beim Lesen wiedererkennen, ich grüß‘ Dich! Den Steirer, der neben mir saß,
sah ich beim Einlass am 5. Juli 2009 wieder. Und während wir warteten, hörte
ich Bruce eigentlich das erste Mal live singen. Beim Soundcheck probte er die
mir damals verleidete Akustik-Version von „Born In The U.S.A.“, an „The Rising“
erinnere ich mich auch noch. Irgendwann war Einlass, wir rechneten uns gute
Chancen für den PIT aus… aber diese währte nur kurz, weil ich
leichtsinnigerweise (War ja auch mein erstes Stadionkonzert und mein erstes
Konzert von einem Musiker in der Größenordnung… nur, kann nach Bruce noch etwas
kommen?) meine Digitalkamera im Rucksack hatte, und natürlich nahm ich mein
Rucksack zum Stadion mit. (Heute unvorstellbar!) Nach langer Diskussion mit der
Security mussten K. und ich einen langen Fußmarsch zum Depot antreten und
verloren dadurch viel Zeit. Im Nachhinein hätten wir eigentlich noch in den PIT
kommen können, aber die Warteschlange dort schreckte uns ab. Also, zweite Reihe
hinter der Absperrung… eigentlich ein super Platz, aber ich war angefressen
biszumgehtnichtmehr, auch deshalb, weil wir ziemlich durstige Dodln neben uns
hatten. K. schaffte es, mich auf den Boden kommen zu lassen, indem er mir klar
machte, dass ich lange auf dieses Konzert gewartet habe, endlich die
Möglichkeit habe, IHN in ein paar Stunden ganz nahe zu erleben und nun soll das
Ganze wegen diesen blöden Kleinigkeiten zunichte gemacht werden? Da der gute
Mann recht hatte, riss ich mich nun zusammen und wir beide warteten auf den
Beginn. Ich erinnere mich an einen herumtanzenden Wasserball und eine gute
halbe (? dreiviertel? volle?) Stunde vor offiziellem Beginn standen plötzlich
alle auf. Ich, beinahe dehydriert, kannte meinen Körper zu gut, blieb als
einzige weiter sitzen… ich meine, warum so früh stehen und dazu auch noch in
dieser verdammt engen Menschenmasse? (Auch ein kritischer Punkt für die Sori.) Der
stehende K. forderte mich zum Aufstehen auf. Ich rollte genervt mit den Augen
gen Himmel und richtete mich nach der Mehrheit. Ich war zu 99 % dehydriert, es
war ein sehr warmer Mittwoch, ans Getränkeholen dachten wir nicht, aus Angst,
den guten Platz zu verlieren… ein ohnmächtiges Mädchen wurde zur Absperrung
getragen, ich sah in ihre verdrehten Augen und dachte kurz nach, es ihr
gleichzutun. Aber, he Sori! Wartest acht
Jahre auf so ein Ereignis und willst kurz davor aufgeben?
Irgendwann… mit einer Dreiviertelstunde Verspätung betraten
die Mitglieder der E Street Band die Bühne: Roy Bittan, Clarence Clemons, Danny
Federici, Nils Lofgren, Patti Scialfa, Garry Tallent, Soozie Tyrell, Steve Van
Zandt, Max Weinberg und – Bruce Springsteen.
Von da an vergaß ich meinen dehydrierten Körper.
Konzert:
(Im Nachhinein, nach so
vielen Jahren und darauf folgenden anderen Konzerten von Bruce Springsteen und
der E Street Band, die ich besucht habe, betrachte ich dieses Konzert etwas
differenzierter. Schließlich war es das erste Konzert und all die Lieder, die
er mit der E Street Band an diesem Abend spielte, hörte ich zum ersten Mal. Eigentlich
sollte nun die Liederauswahl wertungsfrei betrachtet werden.)
Die ersten Takte spielte Bruce auf seiner Mundharmonika, das
Grinsen auf meinem Gesicht und die Freude in mir breiteten sich aus – „THE
PROMISED LAND“. Nachdem wir uns das „Mister I ain’t a boy no I’m a man and I
believe in a promised land“ eingeschworen haben, ging es zu „The Rising“ und
„Lonesome Day“ über. Nach „Prove It All Night“ beglückte mich „My Love Will Not
Let You Down“ mit den Eröffnungsworten „At night I go to bed but I just can’t
sleep I got something runnin‘ around my head…“ – wahre Worte! „Empty Sky“ war
sowohl bühnen- als auch leinwandtechnisch beeindruckend. Bruce und Patti sangen
den Refrain im Duett und dank der Videotechnik stand das Ehepaar auf der
Leinwand viel näher beieinander als auf der Bühne. Dass „The River“ in der Full
Band Version gespielt wurde, gehörte zu den Höhepunkten der „The Rising“-Tournee
in Europa – dafür aber „You’re Missing“ (eines meiner – immer noch –
Lieblingslieder aus dem damals aktuellen Album) daran glauben musste, tat schon
weh. „Waitin‘ On A Sunny Day“ riss das großteils recht lahmes Publikum im Ernst
Happel-Stadion aus ihren Sitzen und der Refrain landete in einer
Endlosschleife. Riesige Freude, als wir „No Surrender“ hörten – das „We learned more
from a three minute record than we ever learned in school“ hat einfach
Kultstatus. Die Kombination meiner Lieblinge, „Worlds Apart“ und
„Badlands“, beglückte mich so sehr und forderte unter anderem meine Stimmbänder
zu Höchstleistungen heraus… das „AAAAAAAH“ und Händeklatschen bei „Worlds
Apart“ war ein großer Moment für mich und mit „Badlands“ bleibt folgende
Erinnerung verbunden: K. teilte mir am Tag danach mit , dass er mich und meinen
Körper den Refrain schreiend fühlen konnte und sah mich dabei so an, als ob
dieses Lied über mein Leben oder Tod entscheiden würde… Ich gebe mir nach wie
vor und immer noch Mühe, diesem Motto treu zu bleiben: „IT AIN’T NO SIN TO BE
GLAD YOU’RE ALIVE.“ Und nebenbei: Nein, die Menschenmassen ringsherum um mich
machten mir nicht mehr aus, die Enge machte mir nicht mehr aus, ich war dort,
an einem Ort, bei einem Erlebnis, auf der ich acht Jahre gewartet habe. Dort
oben der Mann, der grad eben die frohe Botschaft verkündet hat und unten unter
vielen Tausenden ein Fan namens Sori, die bis heute noch keine Erklärung
gefunden hat, warum sie seiner Musik, seinen Texten so verfallen ist und es
nötig hat, diesem Mann, der nie wirklich gearbeitet hat, für die kleinen
arbeitenden Leute singt, Millionen scheffelt, und sie ihm ihr hart
erarbeitendes Geld hinterherwirft. (Wobei die Geldmenge auch wieder relativ
ist.) Nach „Out In The Street“ und „Mary’s Place“ inklusive Bandvorstellung
kehrte Ruhe bei „Incident On 57th Street“ ein… im Nachhinein ärgerte ich mich,
dass ich mich bis dato nicht wirklich mit seinen genialen Erstlingswerken
beschäftigt hatte. Außerdem spürte ich, dass dieses „next shot is for you my
friend“ allgemein die Konzertstimmung auf den Boden drückte – irritierend, aber
das Gefühl war nun einmal da. „The screen door slams…“ – aha, „Thunder Road“…
doch, es geschah etwas, womit ich nie gerechnet habe… ein Gefühl, etwas Keimendes,
eine Knospe, die zur Blüte wird… eine der schönsten Momente in meinem Leben: „Show a little faith, there's magic in the
night/ You ain't a beauty but hey you're all right/ Oh and that's all right
with me…“ DAS war es! An diesem lauen Mittwochabend im Juni des Jahres
Zweitausendunddrei. Es war „alright with me“… der Funke, diese Magie in dieser
Nacht, sprang auf mich über… endlich war mir bewusst, wie schön „Thunder Road“
ist. Ich konnte mich Jahre zuvor nie wirklich mit diesem Lied anfreunden, ich
fand es irgendwie… fad, aber seit diesem Abend war alles anders. Der
kotelettenbärtige Typ da oben schafft es immer wieder, mich zu überraschen:
„IT’S A TOWN FULL OF LOSERS AND I’M PULLED OUT HERE TO WIIIIIIIIIIIIIIIN...“
Geputscht von dieser Erkenntnis tauchten wir in ein
atmosphärisches „Into The Fire“ ein, „Bobby Jean“ beglückte mich sehr, obwohl
mir die Schlussakkorde ein wenig zu fröhlich vorkamen. „RAMROD“ krachte ins
Stadion und die Einlage von „Roll Over Beethoven“ – markant war der Seppl-Hut mit
„AUSTRIA“-Schriftzug von Roy Bittan – verwandelte das Stadion zu einer
Partyzone. „Born To Run“ machte mir bewusst, dass der Großteil des Konzerts
schon vorbei war. Noch ein trügerisch optimistisches „Someday girl I don’t know
when/ We’re gotta get to that place/ Where we really want to go and we’ll walk
in the sun/ But till then TRAMPS LIKE US BABY WE’RE BORN TO RUN.“
„My City Of Ruins“
bescherte das wunderschönste Lichtermeer, welches ich in einem Stadion sah –
ich habe nachher keine vergleichbaren schönen erlebt und es bleibt auch
unvergesslich, dass Bruce die erste Strophe des Liedes am Klavier spielte, dann
nach vorne ging, um mit uns das „Come on rise up!“ zu zelebrieren. (Die 2012er
Version kann dieser 2003er Version nicht mehr das Wasser reichen.) Mit „Land Of
Hope And Dreams“ fuhr der Zug zum ersten Mal ins Wiener Ernst Happel-Stadion
ein und dieser dampfte, rockte, tobte weiter zu „Glory Days“ und „Dancing In
The Dark“.
An Bruces Versprechen, „I’ll never miss Vienna on a tour
again“, erinnere ich mich noch – Pustekuchen… wenn man bedenkt, dass mehr als sechs
Jahre vergehen musste, bis er wieder in Wien Station machen konnte – und das
Konzert war nun aus. Es wurde noch das s/w-Video von „Countin‘ On A Miracle“ in
der leidlichen Akustik-und-Falsett-Version auf Leinwand gezeigt und wir
bewegten uns aus dem Stadion.
Was ich danach fühlte, weiß ich nicht mehr. Ich kann mich
auch nicht mehr an die Rückfahrt im Auto erinnern. Haben wir auch Springsteen aus
dem CD-Spieler gehört? Glaub‘ schon…
Und lange glaubte ich, es würde das einzige
Springsteen-Konzert in meinem Leben bleiben. Ich ließ nachher auch viele
Möglichkeiten ungenutzt… heute hätte ich am liebsten die drei STS-Konzerte vom
Juni gegen ein Konzert von der Devils & Dust-Tournee getauscht.
Hätti wäri…
Aber dass ich nach vielen durstigen Jahren doch noch zu
einigen Springsteen-Konzerten gekommen bin, macht mich immer noch glücklich und
ich bin dankbar für jedes erlebte Konzert.
Papierene Erinnerungen vom Konzert. |