Freitag, 20. Februar 2015

13.02.2015 - Christoph Michalke & Carl Majneri im Bamkraxler

Die Rohfassung schrieb ich am Samstag Abend – es ging mir überhaupt nicht gut und das Schreiben therapierte mich ein wenig. Daraus entstand eine recht schonungslose Version des Textes. Nun stehe ich vor der Aufgabe, den Text zu entschärfen. Damit laufe ich wahrscheinlich Gefahr, das Geschriebene im Ganzen zu verstümmeln, aber schauen wir mal:
 
An und für sich sind diese albernen Freitage, der 13. für mich Tage wie jede andere.
Aber DER Freitag, 13. Februar 2015 wird sich in meiner Erinnerung einbrennen. Das erste Anzeichen eines schlechten Tages erlebte ich auf Arbeit, wie eine Kollegin plärrend aus unserem Büro davonlief, weil unsere Abteilungsleiterin einen immensen Druck auf sie ausübte. Eine solche Situation ist in der Zeit, wo ich in der Abteilung, in der Firma arbeite, noch nie passiert. Mit dem Ausbruch der Kollegin war unsere Stimmung im Büro gedrückt. War die Chefin tough oder ist die Untergebene nicht tough genug? Kurze Zeit später beging ich den Fehler, dass ich endlich ein lang ersehntes Lebenszeichen in Form einer SMS-Nachricht las. Die mich dann in meinen Grundfesten erschütterte. Ich mich fragte, ob ich auf beide Augen blind war. Mir die Bestätigung wieder einholte, was ich schon seit Jahren von mir zu glauben schien. Und der Arbeitstag hat gerade erst begonnen. Ich fragte mich, wie ich meine geplanten zwei Extrastunden im Büro bewältigen wollte. Nebenbei: Nicht nur die erwähnte Kollegin steht unter Druck. Wir stehen alle unter Druck.

Irgendwie habe ich es dann geschafft, den Arbeitstag mit den zwei Extrastunden zu bewältigen. Es war nicht einfach, weil ich die ganze Zeit und auch jetzt grübel, mich selbst geißele, meine geahnten Vermutungen wieder bestätigt sehe, mich in einen Zustand der Verzweiflung und Verunsicherung befinde und dann noch eine kurze Begegnung mit einer Arbeitskollegin aus einer anderen Abteilung, die am Tag zuvor im Krankenstand war (Übelkeit, Erbrechen), hatte. Da ich über ihre etwas außergewöhnliche Ehesituation einen groben Überblick habe, meinte ich zu ihr, dass ihr Krankenstand eher psychisch bedingt sei. Und nun mir selber einen schwachen Trost zusprechen wollte: „Anderen geht es viel schlechter als mir. Es geht dir eigentlich immer noch sehr gut.“ Nach der Arbeit ging ich zu meinem Hörgeräteakustiker, um mit der Logopädin eine weitere Sitzung in Hörtraining zu absolvieren.

Es war hart. Auch weil mich die private Sache nie loslassen konnte. Und bei Geräuschen aus einer bestimmten Richtung (sie kamen aus Lautsprechern, vorne oder hinten) deuten zu können, lag ich jedes Mal daneben. Zur Abwechslung wurden die „G“- und „D“-Silben trainiert. Die Sitzung dauerte eine Stunde. Eine lächerliche Stunde. Aber ich war nachher groggy.

Und da ist das Konzert von Christoph Michalke & Carl Majneri am Abend. Scheiße, ich habe mich so darauf gefreut. Kann ich es irgendwie noch genießen? Genießen wollen? Ein Rest von meiner Selbstsüchtigkeit behalten wollen? Ist das richtig oder falsch?

Ich kam gegen 19 Uhr ins Bamkraxler. Eine Freude, CMCM wiederzusehen. Ich freute mich auch, dass meine zwei Mitstreiter da waren. Dem einen (Schurli) habe ich die Reservierung und dem anderen (Alex) habe ich die Motivation für die Tischreservierung zu verdanken. Dafür danke ich die beiden immer noch.

Der Abend war unglaublich gut. Es liest sich vielleicht eigennützig an, aber ich war so dankbar und erleichtert, bei diesem besonderen Konzert dabeisein zu können und dass dieser BESCHISSENE Tag mit einem schönen Konzert noch einen guten Ausklang fand.
Das Konzert wurde mit einem Gitarrensolo von Carl Majneri eröffnet. Christoph Michalke stieß dazu und kündigte an, dass das Programm balladenlastig sein werde und uns aufmerksames Publikum ein Balladenabend erwarte. Das erste Lied ist – überraschenderweise – eine Ballade. Schon streichelte mich Bob Dylans „Don’t Think Twice It’s All Right“, begleitet von Christophs Stimme und Carls Akustikgitarre, meine innere Unruhe. Die Freude war ganz meinerseits, dass auch an Herrn Tom Waits gedacht und mit „I Hope That I Don’t Fall In Love With You“ eine weitere – wen überrascht es? – Ballade geliefert wurde.

Nach weiteren Balladenklassikern, wo auch Christoph selbst zu den Saiten griff, erwähnte derselbe die Traumfrau seiner Jugend: Melissa Etheridge. Und was mich zu meiner jahrelangen Liebe weiterleitet, die einmal so glutendheiß wie Lava ist, aber auch dann nur ein wenig vor sich hinköchelt, aber die Liebe ist immer da – und das schon seit knapp 20 Jahren: Die Musik und die Texte von Bruce Springsteen. Christoph erzählte, dass er Melissa das erste Mal live im Fernsehen sah, als sie für „MTV Unplugged“ das Konzert mit Bruce Springsteens „Thunder Road“ (und auch mit IHM) eröffnete. Christoph gab uns den Tipp, auf YouTube das Video anzusehen. „Es ist empfehlenswert.“ (O-Ton CM) Ich kenne das Video schon länger, aber ich bette es sehr gerne ein: 

„Schluss mit der Fremdwerbung. Und hier kommt etwas ohne Springsteen.“ „Schade!“, war mein Einwurf. „I Will Never Be The Same“ habe ich im Original sicher nicht gehört, aber ich fand es sehr schön vorgetragen von CMCM. Und der Titel wirkt so programmatisch.
Nach „Free Fallin‘“ wurde es Zeit für eine Pause und so wurde noch „Time“ gespielt. Wunderschön das sogenannte Outro, wo wir alle „Time Time Time“ sangen und Christoph das (für unser Geschmack grelle) Licht auf der Bühne abdimmte.

In der Pause realisierte ich kurz, dass mir das Konzert unheimlich gut getan hat und dennoch aber auch die Strapazen des Hörtrainings. Meine Mitstreiter am Tisch verstand ich kaum. Oft neige ich dazu, dass ich an solchen Abenden an solchen Tischen wirklich zufrieden bin, wenn ich ein Krügerl vor mir hab und mir die Leute im Lokal anschaue. Mehr kann ich nicht dazu aufbringen. (Kein Wunder, dass ich im Grunde genommen eine leidenschaftliche Misanthropin bin.)

Der zweite Teil des Abends wurde mit „Ka Idee“ eröffnet. Nach diesem Lied merkte Christoph an, dass sie die Sprache gewechselt haben. (Oiso, vom Änglischen in den Dialekt.) Nun kündigte er ein Lied von Stefan Schubert an, „seinerzeit Kapellmeister bei den Stubnblues, einer junger, aufstrebenden Band“ (O-Ton Christoph) – ich meine, DIE Stubnblues ist eine junge Band, über das Alter der jeweiligen Bandmitglieder lässt sich streiten. (Nicht bös gemeint, ich habe die Konzerte von Willi R. und den Stubnblues genossen und meine liebste Nummer stammt aus Stefans Feder, „Zum letztn Mal“.) Hier nun das Lied, was im Original eher eine druckvolle Nummer ist (wurde beim voi aufdrahten Teil des Dopplerabends 2013 auch gespielt) und von Carl pomalisiert wurde – also, Christophs Ausführungen habe ich zu 95 % folgen können, bin ich auch ziemlich weit vorne gesessen. „Wegn dera G’schicht“ war die Nummer, und um bei den Stubnblues zu bleiben und auch im Dialekt, gehen wir rüber zu H. C. Artmann. 

H. C. Artmann ist tatsächlich schwer zum Lesen, ich muss nur die Gedichte aus „med ana schwoazzn tintn“ laut verlesen, damit ich auch weiß, wovon er schreibt. Aber es macht Spaß, das Vorlesen… natürlich, solange ich alleine bin. Es trainiert die Stimmmelodie. Muss ich der Logopädin sagen, der Dialekt ist ja am Aussterben. Leichter zu vertonen ist er alle Mal, weiß ich aus der „Bucht von Wien“ und auch aus den „Abendlieder“. Und hier berührte, streichelte mich „alanech fia dii“ wieder aufs Neue. 
Ein Fall für den klassischen Akkudativ lieferte „I hob Di gern (germ)“. Mit „Herr Herrgott“ wurde Tribut an Erich Meixner gezollt, nun überlege ich, das Matinee am 21. März 2015 im Stadtsaal anzupeilen. Aus dem [rema’su:ri]-Fundus wurde auch die pomalisierte Version von „Am leiwandsten daham“ präsentiert. Zwar ist keiner aufgestanden, aber der Applaus war sehr kräftig. Mit der „Hiebeserklärung“ gelangten wir zur „Fluchthelferin“ und nun war es erst einmal aus.

Hobt’s mi wieder gestreichelt, dass „Oabeit“ zum Schluss in „Factory“ gesungen wurde. Bruce ist allgegenwärtig. Christoph erwähnte, dass er nicht immer Wirt war, sondern auch Elvis-Imitator. Als Beweis lieferte er uns eine wunderschöne Version von „Can’t Help Falling In Love With You“. Lauter programmatische Titel. Lauter Liebeslieder. (Wir sind aber von Christoph vorgewarnt worden.)

Die Augustiner haben mir sehr gemundet, ich war froh, angesichts meines psychisch angespannten Zustandes am Abend die nächste Mahlzeit nach meinem Müsli-Frühstück (noch bevor ich zur Arbeit aufgebrochen bin) einnehmen zu können.

Ich habe sehr viel Geschirr in meinem Leben zerschlagen, mehr als ich je gehabt hatte, aber ich bin immer noch unglaublich dankbar für diesen schönen Abend und dass das Schicksal manchmal gnädig ist mit mir.

Nachtrag: Ich habe noch lange an diesem Text "gearbeitet" und auch herumprobiert, ihn weiter zu verkürzen. Aber das Geschriebene würde dann sehr viel von seinem Ursprünglichen verlieren und so lasse ich diese "entschärfte" Version stehen.

Ois wird guad!