"Wirst du darüber einen Bericht in deinem Blog schreiben?“
fragte mich Herr G. nach dem Konzert und abschließendem Absacker. (Mein viertes
Bier an diesem Abend. Nein, so köstlich ist der Event-Zipfer in einem Plastikbecher
auch wieder nicht!)
Ich habe mir Zeit gelassen bzw ich konnte nicht früher
schreiben. Sucht Euch eine Variante aus, je nachdem, welches Euch besser
gefällt. Nur, ich wusste von vorne herein, dass es kein reiner Konzertbericht
sein wird. Es ist auch keins geworden, nachdem ich mir mein Geschreibsel
durchgelesen habe. Es ist eher ein Zustandsbericht. Aber das Konzert hat
gewirkt und mir gut getan, so viel sei verraten.
Ich kaufte mir die Karte noch im Dezember vergangenen
Jahres. Die Vorfreude auf das Konzert war sehr lange groß, aber je näher der Termin
rückte, umso mehr ließ meine Begeisterung nach. Es war, ich korrigiere, es ist
immer noch im Moment einfach zu viel los bei mir. Kaum Zeit und Gelegenheit,
zwei Gänge zurückzuschalten und das Leben ein wenig schleifen zu lassen. Aus
dem Geschehen aussteigen und dem Treiben zusehen. Selbst nichts tun. Nur zusehen
und beobachten. Und mir meine Gedanken darüber machen. Sie vielleicht
schriftlich zum Ausdruck bringen.
Am Tag des Konzerts musste ich länger auf Arbeit bleiben und
ich hatte erst recht keine Lust, zur Stadthalle zu fahren. Ich wollte lieber
auf meiner Bank liegen, irgendwelche Musik hören und ein, zwei Feierabendbier zischen.
Nichtsdestotrotz fuhr ich zur Stadthalle und nun wird es spannend… ich habe es
mir angewöhnt, nicht jedes Mal Leute zu fragen, ob sie mit mir auf ein Konzert
gehen (wollen). Diese Fragerei setze ich nur selten ein. Ich kann gut alleine
auf Konzerte gehen und selbst wenn, ich treffe immer irgendjemanden. Und an
diesem Abend hatte ich sehr nette Gesellschaft mit Herrn G. (den ich bisher nur
bei seinen Konzerten gesehen habe) und seinem Kollegen „Franz“. Der Abend
versprach, gut zu werden…
Während die Vorgruppe spielte, trauten wir uns nicht, die
Halle zu betreten, weil zu laut. Außerdem benötigte Herr G. meine Hilfe
weiblichen Geschlechts, damit ich für seine Liebste das „PROTECT“-Leiberl
ergattern konnte, während er, „Franz“ und auch ich mit „EARTH“-Leiberln
gesegnet waren. Hier an dieser Stelle: Unglaublich klasse Aktion von Neil Young
& Co., solche schönen Leiberln gratis zu verteilen. Wir gingen dann wieder
raus an die frische Luft, damit die Herren rauchen und Fotos von den Leiberln
gemacht werden konnten. Sprach uns daraufhin ein etwas finsterer Herr an,
sagten wir ihm, dass die Leiberl gratis abzuholen seien. Seine Gattin (davon
gehe ich heute immer noch aus) gesellte sich dazu und beide wollten uns die
Geschichte mit den gratis Leiberl nicht abkaufen, wir mussten tatsächlich
Überzeugungsarbeit leisten und der Typ drohte Herrn G. mit Wickel, sollte sich
dies als Schmäh herausstellen.
Nach ca zehn Minuten kamen die beiden wieder zu uns,
glücklich, mit ihren „PROTECT“-„EARTH“-Leiberln und erzählten uns, wie sie zu
diesen Fetzen kamen und er offenbarte dem Herrn G., dass er drauf und dran war,
ihn totschlagen zu wollen, als er diese Leiberl am Merchandising-Stand (dort
waren sie auch, für 30 EUR das Stück) sah. Die Erleichterung war Herrn G.
deutlich anzusehen und es stellte sich heraus, dass das Ehepaar aus der Nähe
von Basel kommt. Inspiriert vom Leiberl, welches Herr G. tatsächlich am Leib
trug, zitierte ich „So soll a Nachbar sein.“. Haben die beiden Schweizer sich
einen Hax’n gefreut, als ich Büne Huber und Patent Ochsner erwähnte.
Langsam begaben wir uns wieder in die Halle und nun stand
mir mein erstes (und auch sicher letztes) Live-Erlebnis von Neil Young &
Crazy Horse bevor. Wir standen zwar weit hinten, aber wos wüst mit normalen
Stehplatzkarten machen? Ich hatte dennoch eine gute Fernsicht auf die Bühne und
es waren auch noch zwei große Videowände
da.
Mit „Love And Only Love“, welches ich schon aus der „Ragged
Glory“ kenne, wurde das Konzert eröffnet. Nach einem hymnischen „Going Home“
stelle ich nicht überrascht fest, dass Neil Young gern dazu neigt, lange Gitarrensoli
bzw Duelle mit dem Gitarristen Frank Sampedro zu liefern. Man darf sich einfach
nicht zu viel von so einem Konzert erwarten, aber ich wurde mit der Musik, die
für mich ehrlich und handgemacht wirkt, beseelt. Alltag war weit, weit weg.
Und Neil Young live erleben! Sag mir das einer vor 20
Jahren, als ich Onkel Neil das erste Mal auf MTV sah. Ein Auftritt mit Pearl
Jam bei den MTV Music Awards. „Rockin‘ In The Free World“. Das prägt. Schon seit
20 Jahren. Wird auch mein restliches Leben prägen.
Neil Young grummelt auf seiner „Old Black“, singt,
protestiert, gibt sich kämpferisch… aber das Alter sieht man ihm an. Ganz
deutlich bei „Heart Of Gold“, wie er allein mit Akustikgitarre und Harp das
Publikum verzauberte. Nach ein paar Liedern krachten die ersten Töne von „Rockin‘
In The Free World“. Unverkennbar. Erinnerung kommt hoch. Ich grinste breit und
mit diesem Gesichtsausdruck sah ich Herrn G. an und wir rockten ab. Hier an
dieser Stelle absolut beschämend, dass 99 % des Sitzplatzpublikums sich nicht
die Mühe machten, sich von ihren Hintern zu erheben. Ausgerechnet bei „ROCKIN‘
IN THE FREE WORLD“.
Nach einer kurzen Verabschiedung kamen die Musikanten
wieder. Noch einmal drischt Onkel Neil auf seiner Gitarre, dieses Mal eine
Telecaster, und rief „Protect Your Rights…“. Das „Who’s Gonna Stand Up And Save
The Earth?“ hallte uns noch sehr lange in den Ohren.
Bin ich froh, dass ich auf dieses Konzert gegangen bin. Ich bin
nachher um viele Erkenntnisse reicher geworden und die restliche Arbeitswoche
ist mir auch viel leichter gefallen.
Hier noch ein paar interessante Links: